Ägypten schlägt eine neue Seite auf.

Ägypten schlägt eine neue Seite auf. Die arabische Welt wird nie mehr sein wie zuvor. Präsident Mubarak hat die Macht abgegeben. Auch wenn das Land jetzt vor einer Zerreissprobe steht; die ägyptische Protestbewegung hat einen wichtigen Etappensieg errungen.

Der 18 Tage dauernde Sturm der Proteste hat sein Regime hinweggefegt. Mit seiner Weigerung, vom Amt zurückzutreten, hatte Mubarak am Donnerstag Abend die Massen weiter erzürnt.

Unter den Augen der ganzen Welt windete sich ein Regime, das sich der Herrschaft über das Zentrum der arabischen Welt rühmte. Der Herrscher hatte sich verrannt; allen Protesten zum Trotz äusserte er sich noch stolz auf die «Dienste», die er seinem Volk erwiesen habe. Seine Ansprachen zeugten von der Arroganz der Diktatoren, die vorgeben, besser für das Wohl ihrer Untertanen zu sorgen, als diese selbst es können.

Grandios ist der Aufstand der jungen Ägypter auf dem Hintergrund der Geschichte des Nillandes – wenn man bedenkt, welche Sklavenheere die Pharaonen für ihre Monsterbauten durch Sand und Staub trieben. Ägypten war immer ein Juwel, nach dem Machthaber von nah und fern die Hand ausstreckten. In der Spätantike sträubten sich die Ägypter gegen die byzantinische Fremdherrschaft und arrangierten sich nach 640 mit den muslimischen Militärherrschern aus der Wüste. Die Islamisierung dauerte Generationen; Aufstände der Kopten wurden blutig unterdrückt.

Jahrhundertelang herrschten Fremde: die aus dem Maghreb stammenden schiitischen Fatimiden, Abkömmlinge türkischer Militärsklaven, die Osmanen, der aus dem Balkan stammende Muhammad Ali und schliesslich die Briten. Sehr kurz nimmt sich dagegen die Zeitspanne aus, in der Ägypter das das Land regierten: 1952 stürzten Offiziere den König, der seit 1936 souverän war; unter ihnen erwies sich Nasser als der Chef.

Dass sein zweiter Nachfolger Hosni Mubarak den Ausnahmezustand über 30 Jahre nicht aufhob, um seinem Polizeiapparat freie Hand zur Repression zu lassen, dass er keinen Vizepräsidenten ernannte, dass er Oppositionspolitiker hinter Gitter setze und ihre Parteien zerschlagen liess, genau dies führte in die Sackgasse.

Unbeirrbar vermuteten die Machthaber westliche Drahtzieher hinter den Massenprotesten – obwohl sie diese mit ihrer überheblichen Sturheit selbst verursacht hatten. Die Leiter der grossen christlichen Kirche der Kopten, die als einzige nicht-muslimische Kraft politisch Einfluss nehmen könnte, haben sich vielleicht auch deshalb zurückgehalten. Sie wollten jedem Verdacht, sie betrieben in ihrer Verbundenheit mit der (westlichen) Christenheit den Sturz des eigenen Regimes, zuvorkommen.

Während die Kirchenführer sich zurückhielten, fassten koptische Intellektuelle Mut und formulierten ihre Forderungen unverblümt. «Wir wollen, dass in Ägypten endlich Religionsfreiheit hergestellt wird», äusserte der Rechtsprofessor Naguib Gobraiel gegenüber der Hamburger «Zeit».  Dazu müsse aber der Artikel 2 der Verfassung gestrichen werden, der die Scharia als wichtigste Quelle des Rechts in Ägypten festschreibt, sagte Gobraiel. «Das widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz in Artikel 40 und dem Artikel 46 über die Religionsfreiheit. Wir wollen künftig in Ägypten einen zivilen, religiös neutralen Staat.» Nicht die ganze Verfassung müsse neu geschrieben werden; es genüge, die Fundamente für einen religiös neutralen Staat zu legen.

Der Artikel 2 der Verfassung, so Gobraiel, ist «die Quelle aller Probleme, die wir Kopten in Ägypten haben». Wenn der Vater in Ägypten Muslim wird, «werden seine Kinder automatisch auch Muslime und bekommen sogar ihre Namen geändert». Der Professor weiss, dass die Muslimbrüder, deren Anhängerschaft im Volk er auf 40 Prozent beziffert, den Artikel 2 nicht ändern wollen.

Damit ist klar, worum es in den nächsten Monaten gehen wird: Religionsfreiheit für Ägypten. Die Kopten und die jungen, von der Aussicht auf Freiheit berauschten Ägypter haben einen langen Weg vor sich. Jesus.ch

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