Warum lehnt das Judentum die Homosexualität ab? Weil es weiß, dass unsere Zivilisation auf dem Spiel steht.

„Als das Judentum die Forderung erhob, alle sexuellen Aktivitäten in die Ehe zu kanalisieren, veränderte es dadurch die Welt. Das Verbot von nichtehelichem Sex durch die Tora ermöglichte, ganz einfach gesagt, die Schöpfung der westlichen Zivilisation. Gesellschaften, die der Sexualität keine Grenzen setzten, wurden in ihrer Entwicklung blockiert. Die sich daraus ergebende Vorherrschaft der westlichen Welt kann großteils der sexuellen Revolution zugeschrieben werden, die vom Judentum begonnen und später vom Christentum weitergetragen wurde.Die Revolution bestand darin, den Geist der Sexualität in die Flasche der Ehe zu zwingen. Sie gewährleistete, daß die Gesellschaft nicht länger vom Sex dominiert wurde, und daß sich Liebe und Sexualität zwischen Mann und Frau vertieften (und dadurch fast allein die Möglichkeit von Liebe und Erotik in der Ehe geschaffen wurde). Zudem wurde damit die beschwerliche Aufgabe in Angriff genommen, den Status der Frau zu verbessern.

Für uns, die wir Tausende von Jahren nach Beginn dieses Prozesses im Judentum leben, ist es wahrscheinlich unmöglich, das Ausmaß zu erfassen, in dem ungezügelter Sex das Leben des einzelnen und der Gesellschaft dominieren kann. Sexualität durchdrang praktisch die ganze Gesellschaft; das galt in der gesamten Antike und in vielen Teilen der Welt bis in die jüngste Vergangenheit hinein.Menschliche, vor allem männliche, Sexualität ist vielgestaltig oder äußerst wild (weitaus mehr als tierische Sexualität). Männer hatten mit Frauen und Männern Sex; mit kleinen Mädchen und jungen Knaben; mit einem einzigen Partner und in großen Gruppen; mit vollkommen Fremden und Mitgliedern der engsten Familie; und mit den verschiedensten domestizierten Tieren. Wenig gibt es, ob belebt oder unbelebt, das nicht bestimmte Männer zum Orgasmus gereizt hat.Natürlich wurden nicht alle diese Praktiken von der jeweiligen Gesellschaft befürwortet. Inzest zwischen Eltern und Kindern sowie die Verführung der Frau eines anderen Mannes sind nur selten gutgeheißen worden. Viele andere dieser Praktiken aber wurden akzeptiert; allesamt sind sie ein Beispiel dafür, wozu der nicht kanalisierte oder in Freudscher Terminologie „unsublimierte“ Sexualtrieb führen kann.Eine der Konsequenzen eines nicht kanalisierten Sexualtriebs ist die Sexualisierung von allem einschließlich der Religion. Solange der Sexualtrieb nicht in angemessener Weise gezügelt wurde (nicht unterdrückt, was seine eigenen zerstörerischen Konsequenzen hat), konnte sich keine höhere Form von Religion entwickeln.
Somit war das erste, was das Judentum tat, Gott zu „entsexualisieren“: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (1.Mose 1,1) durch seinen Willen, nicht durch irgendeine sexuelle Aktivität. Das war ein ausgesprochen radikaler Bruch mit allen anderen Religionen; dies allein veränderte die menschliche Geschichte. In praktisch allen Zivilisationen waren die Götter sexuell aktiv. Im Nahen Osten verführte die Göttin Ischtar einen Mann, den babylonischen Heros Gilgamesch. In der ägyptischen Religion unterhielt der Gott Osiris sexuelle Beziehungen zu seiner Schwester, der Göttin Isis; daraus ging der Gott Horus hervor. In Kanaan hatte der oberste Gott El Sex mit Aschera.

Nach dem Glauben der Hindus war der Gott Krischna sexuell aktiv; er hatte viele Frauen und lief Radha nach; der Gott Samba, Sohn Krischnas, verführte sterbliche Männer und Frauen. In der griechischen Religion heiratete Zeus Hera, lief Frauen hinterher, entführte den schönen Jüngling Ganymed und masturbierte des öfteren; Poseidon heiratete Amphitrite, war scharf auf Demeter und vergewaltigte Tantalus. In Rom stiegen die Götter Männern wie Frauen nach.

Angesichts der sexuellen Aktivitäten der Götter ist es nicht verwunderlich, daß die Religionen selbst voll der unterschiedlichsten Formen sexueller Aktivitäten waren. In der Antike wurden im Nahen Osten und anderswo Jungfrauen von Priestern entjungfert, bevor sie sich ihrem Ehemann hingeben durften. Sakrale und rituelle Prostitution waren fast universal.

In Indien verlangten bestimmte hinduistische Kulte bis in dieses Jahrhundert hinein den Geschlechtsverkehr zwischen Mönchen und Nonnen. Ehefrauen hatten Geschlechtsverkehr mit Priestern, die die Gottheit repräsentierten. Bis 1948, dem Jahr der Unabhängigkeit Indiens, in dem diese Praxis für illegal erklärt wurde, gab es an vielen indischen Tempeln Frauen und Knaben als Prostituierte.

Im vierzehnten Jahrhundert berichteten Chinesen über homosexuelle Riten, die aus der tibetischen Religion stammten und am Hof eines Mongolenkaisers praktiziert wurden. In Sri Lanka beinhaltete die Verehrung der Göttin Pattini bis in dieses Jahrhundert als Frauen verkleidete Priester und der Gefährte der Göttin wurde symbolisch kastriert.

Das Judentum erlegte der sexuellen Aktivität Einschränkungen auf. Sex konnte nicht länger Religion und Gesellschaft beherrschen. Er sollte geheiligt werden – was im Hebräischen soviel wie „ausgesondert aus der Welt“ bedeutet – und in die Familie verlagert werden, in das eheliche Bett von Mann und Frau. Die Einschränkung des Sexualverhaltens im Judentum war eines der wesentlichen Elemente, das den gesellschaftlichen Fortschritt ermöglichte.

Der revolutionäre Charakter des jüdischen Verbots aller Formen von nichtehelichem Sex war auf keinem Gebiet radikaler und für die vorherrschenden Auffassungen der Menschheit herausfordernder als im Bereich der Homosexualität.

Tatsächlich kann man dem Judentum die Erfindung der Kategorie „Homosexualität“ zuschreiben, denn in der Antike wurde im Bereich der Sexualität nicht zwischen Heterosexualität und Homosexualität unterschieden. Diese Unterscheidung wurde in der Bibel eingeführt. Vor der Bibel trennte die Welt zwischen dem „Penetrator“ (dem aktiven Partner) und dem „Penetrierten“ (dem passiven Partner).

Wie Martha Nussbaum, Professorin für Philosophie an der Brown University, vor kurzem schrieb, standen bei den Menschen der Antike die geschlechtlichen Vorlieben des Einzelnen auf derselben Stufe wie bei heutigen Menschen die Eßgewohnheiten:

„Die antiken Kategorien für sexuelle Erfahrung unterschieden sich beträchtlich von den unseren… Die zentrale Unterscheidung der Sexualmoral war die zwischen aktiven und passiven Rollen. Das Geschlecht des Objekts … ist in sich moralisch nicht problematisch. Knaben und Frauen werden oftmals als austauschbare Objekte (männlichen) Verlangens behandelt. Sozial gesehen ist es wichtiger, zu penetrieren statt penetriert zu werden. Sex wird grundlegend nicht als Interaktion, sondern als einem anderen etwas antun verstanden …“

Das Judentum stellte dies alles in Frage. Es sah das „Geschlecht des Objekts“ als äußerst „moralisch problematisch“; es verkündete, daß kein Mensch sexuell „austauschbar“ sei. Und als Ergebnis wurde gewährleistet, daß Sex tatsächlich „grundlegend Interaktion“ und nicht einfach „etwas einem anderen antun“ ist.

Um das Ausmaß der Revolution zu würdigen, die durch das Verbot der Homosexualität und die Forderung nach ausschließlich männlich-weiblicher sexueller Interaktion im Judentum herbeigeführt wurde, muß man sich zunächst bewußt machen, wie universal Homosexualität in der ganzen Welt akzeptiert, praktiziert und wertgeschätzt wurde.

Die eine beständige Ausnahme war die jüdische Zivilisation und, tausend Jahre später, die christliche. Außer den Juden „verbot keine der archaischen Zivilisationen die Homosexualität an sich“, wie Dr. David Greenberg bemerkte. Allein das Judentum war es, das vor etwa 3.000 Jahren Homosexualität für falsch erklärte.

Und das tat es in der stärksten und eindeutigsten Sprache, die ihm möglich war: „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Greuel. Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Greueltat begangen“ (3 Mo 18,22; 20,13). Es ist die Sexualmoral des Judentums, nicht die Homosexualität, die historisch gesehen von der Norm abweicht.

Greenberg, dessen Buch The Construction of Homosexuality die umfassendste historische Untersuchung der Homosexualität darstellt, die je geschrieben wurde, faßte die Allgegenwart der Homosexualität mit folgenden Worten zusammen: „Mit nur wenigen Ausnahmen wurde männliche Homosexualität nicht gebrandmarkt oder unterdrückt, solange sie im Einklang mit bestimmten Normen im Hinblick auf Geschlecht, relatives Alter und Status der Partner stand …Zu den Hauptausnahmen von dieser Akzeptanz scheint es in zwei Bereichen gekommen zu sein.“ Beide waren jüdisch geprägt.

Die hebräische Bibel, insbesondere die Tora (die „Fünf Bücher Mose“), haben mehr zur Zivilisierung der Welt beigetragen als irgendein anderes Buch oder eine andere Idee der Geschichte.

Es ist die hebräische Bibel, die der Menschheit Ideen geschenkt hat wie die folgenden: einen universalen, moralischen, liebenden Gott; die Notwendigkeit der Geschichte, zu einer moralischen und spirituellen Erlösung fortzuschreiten; den Glauben, daß Geschichte einen Sinn hat; und die Auffassung, daß Freiheit und soziale Gerechtigkeit von Gott für alle Menschen gewünscht werden. Sie gab der Welt die Zehn Gebote, den ethischen Monotheismus, und das Konzept der Heiligkeit (das Ziel, den Menschen von der Tierähnlichkeit zur Gottähnlichkeit zu führen).

Deshalb höre ich mit großem Respekt zu, wenn diese Bibel klare moralische Überzeugungen verkündet. Im Hinblick auf männliche Homosexualität – weibliche wird nicht erwähnt – verwendet diese Bibel eine solch klare und direkte Sprache, daß man kein religiöser Fundamentalist zu sein braucht, um sich von ihren Ansichten leiten zu lassen. Alles, was es braucht, ist sich als ernsthaften Juden oder Christen zu verstehen.

Juden oder Christen, die die Sichtweise der Bibel zur Homosexualität ernst nehmen, müssen nicht beweisen, daß sie weder fundamentalistisch noch buchstabengläubig, geschweige denn bigott sind (obwohl natürlich Leute mit der Bibel ihre Bigotterie verteidigt haben). Stattdessen tragen diejenigen die Beweislast, die behaupten, Homosexualität sei mit dem Judentum oder Christentum vereinbar; sie müssen zeigen, wie sie diese Ansicht mit ihrer Bibel in Einklang bringen wollen.

Angesichts der unzweideutigen biblischen Einstellung zur Homosexualität ist dieser Einklang allerdings unmöglich herzustellen. Alles was möglich ist, ist die Aussage: „Ich bin mir bewußt, daß die Bibel Homosexualität verurteilt; ich halte die Bibel darin aber für falsch.“ Das wäre ein intellektuell redlicher Ansatz. Dieser Ansatz führt aber zu einem weiteren Problem. Wenn man selbst darüber befindet, welche der moralischen Anordnungen in der Bibel man ernstnimmt (und das Verbot der Homosexualität wird nicht nur als Gebot, sondern als Wert dargestellt „es ist ein Greuel“), welchen moralischen Wert hat dann die Bibel noch?

Das Judentum kann mit der Homosexualität keinen Frieden schließen, da sie viele seiner Grundprinzipien leugnet. Sie leugnet das Leben, leugnet Gottes ausdrücklichen Wunsch nach dem Zusammenleben von Mann und Frau, und leugnet die nach jüdischer Auffassung grundlegende Struktur der gesamten Menschheit, die Familie.

Kann man von einem Kern des Judentums sprechen, dann findet er sich in der Aussage der Tora „Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben“ (5 Mo 30,19). Das Judentum bejaht alles, was Leben fördert; es bekämpft oder sondert alles aus, was Tod repräsentiert …

Gottes erste Aussage über den Menschen (im allgemeinen und den Mann im besonderen) lautet: „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibt“ (1 Mo 2,18). Nun hätte Gott, um das Problem des Alleinseins des Mann-Menschen zu lösen, einen anderen Mann erschaffen können, vielleicht sogar eine Gemeinschaft von Männern.

Stattdessen löste Gott das Alleinsein des Mann-Menschen durch die Erschaffung einer anderen Person, einer Frau, nicht eines Mannes, nicht einiger Frauen, nicht einer Gemeinschaft von Männern und Frauen. Die Einsamkeit des Mannes war nicht ein Ausdruck dessen, daß ihm andere Menschen fehlten; es war Ausdruck dafür, daß ihm eine Frau fehlte.

Natürlich geht das Judentum auch davon aus, daß Frauen Männer brauchen. Aber sowohl die Tora wie das jüdische Gesetz bestanden viel strikter darauf, daß Männer heiraten sollten, als Frauen. Das Judentum ist besorgt darüber, was mit den Männern und der Gesellschaft passiert, wenn Männer ihre Leidenschaften nicht in die Ehe kanalisieren.

In dieser Hinsicht bewiesen Tora und Judentum weise Voraussicht: die überwältigende Mehrheit der Gewaltverbrechen wird von unverheirateten Männern begangen. So ist das Unverheiratetbleiben des Mannes, in vielen Religionen als heilig betrachtet, im Judentum eine Sünde. Um im Vollsinn Mensch zu werden, müssen sich Mann und Frau verbinden. Mit den Worten des ersten Buchs Mose: „Gott schuf also den Menschen … als Mann und Frau schuf er sie“ (1 Mo 1,27). Das Einswerden von Mann und Frau ist nicht lediglich ein großartiges Ideal; es ist das Herzstück der jüdischen Auffassung von der Bedeutung des Menschwerdens. Es zu leugnen ist gleichbedeutend damit, ein Hauptziel des Lebens zu leugnen.“
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