Der Papst spricht vom Völkermord. Ein Genozid ist ein Genozid ist ein Genozid.

Da kann Erdogan noch so wütend mit dem Fuß aufstampfen.

 Vor 100 Jahren begann der gezielt geplante Massenmord an den türkischen Christen. Im 19. Jahrhundert hatte das Osmanische Reich (Vorläufer der heutigen Türkei) einen großen Teil seines Territoriums verloren, riesige Gebiete die heute zu Griechenland, Syrien, dem Libanon usw. gehören. Diese „nationale Demütigung“ stachelte den türkischen Nationalismus an. Unmittelbar von dem 1.Weltkrieg waren 30% der Bevölkerung Anatoliens Christen. Das „Komitee für Einheit und Fortschritt“ der Jungtürken, zu denen sich der spätere Staatsgründer Mustafa Kemal (Atatürk) zählte, regierte von 1908-1918 und war verantwortlich für die Massenmorde an Christen. Im 1.Weltkrieg befürchteten die türkischen Militärs, Christen im eigenen Land könnten sich mit dem Kriegsgegner Russland verbünden.

Um einen reinen nationalen, türkischen Staat zu bekommen wurde beschlossen, alle Christen entweder zu töten oder zu vertreiben. Dazu stellt der türkische Historiker Taner Akçam fest: „Es war keine Politik des Völkermords. Es war keine Politik der totalen Auslöschung von Christen. Es war eine Politik, Mittel und Wege zu finden, um die Christen Anatoliens loszuwerden.“ – Damit hatte man bereits Erfahrung. Eine Generation vorher (1894–1896) hatte man rund 300 000 Armenier im Osten des Landes in staatlichem Auftrag ermordet. Bei antichristlichen Pogromen in Diyarbakır oder Urfa starben bis zu 55.000 aramäische und assyrische Christen, etwa 100.000 wurden gezwungen zum Islam überzutreten.

Den religiös und nationalistisch motivierten Völkermord an den armenischen Christen versuchte man der eigenen Bevölkerung als „Befreiung“ zu verkaufen. Die seit Jahrhunderten hier lebenden Christen seien eigentlich eine „Bedrohung für den Islam“ und für jeden echten Türken. Christen wurden als tödlicher „Tumor“ im Osmanischen Reich diffamiert. Sie seien wie Bakterien, die man bekämpfen müsse, um den Körper, den türkischen Staat, zu retten.

Man plante 1915 alle 2 Millionen in der Türkei lebenden Armenier zu töten oder zu deportieren. Zuerst wurden alle armenischen Christen in der türkischen Armee ermordet. Dann wurden die Häuser der Christen in staatlichem Auftrag geplündert und deren Bewohner vertrieben oder in armselige Gefangenenlager gepfercht.

Max Erwin von Scheubner-Richter, der deutsche Vizekonsul in Erzurum, berichtete Ende Juli 1915 über die Vertreibungen: „Von türkischen Politikern wird übrigens unumwunden zugegeben, dass das Endziel ihres Vorgehens gegen die Armenier die gänzliche Ausrottung derselben in der Türkei ist. Nach dem Kriege werden wir ,keine Armenier mehr in der Türkei haben‛ ist der wörtliche Ausspruch einer maßgebenden Persönlichkeit. Soweit sich dieses Ziel nicht durch die verschiedenen Massakers erreichen lässt, hofft man, dass Entbehrungen der langen Wanderung bis Mesopotamien und das ungewohnte Klima dort ein Übriges tun werden.“

Tagelang schwammen tausende von Leichen in den nahegelegenen Flüssen. Wer nicht gleich getötet worden war, wurde vom türkischen Militär und den kurdischen Hilfstruppen geschlagen, vergewaltigt und dann in Todesmärschen Richtung syrische Wüste getrieben. Rund 1,5 Millionen armenische Christen starben während der Pogrome oder auf den Märschen. Viele einfache Türken protestierten gegen das brutale Vorgehen des Militärs und wollten ihren ehemaligen Nachbarn zu Hilfe kommen, allerdings weitgehend erfolglos. Im westlichen Ausland sah man dem Morden weitgehend tatenlos zu.

In den nächsten beiden Jahren (1916-1917) wurden in der Türkei noch weitere 250 000 aramäische, assyrischen und chaldäische Christen vom türkischen Militär ermordet. Bei Vorstößen in den Iran ermordete das türkische Militär 47 000 assyro-chaldäische Christen, in Syrien mehr als 90 000.

An den Massakern an türkischen Christen vor 100 Jahren können wir heute leider nichts mehr ändern. Wir können aber darauf achten, dass solche national und religiös motivierten Verbrechen sich nicht mehr wiederholen. Besonders Christen sollten sich über Ländergrenzen hinweg engagieren, wenn es darum geht, Menschen beizustehen, die wegen ihres Glaubens diskriminiert und verfolgt werden. Michael Kotsch

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