Wie passen Gott und das Leid in der Welt zusammen? Wir brauchen das Leid.

„Ich gebe aber offen zu: Der Verweis auf die Entscheidungsfreiheit des Menschen klärt zwar vieles, aber bei Weitem nicht alles: Warum lässt Gott z.B. Leid zu, das nichtmenschenverursacht ist? Bevor ich hierzu eine mögliche Denkrichtung andeute, will ich die Ernsthaftigkeit des gerade Gesagten aber noch einmal unterstreichen: Nur, weil ich ein spezifisches Leid nicht (auf den ersten Blick) auf den Menschen zurückführen kann, heißt das ja noch lange nicht, dass er wirklich schuldlos ist.

Oft erkennen wir gewisse Zusammenhänge schlicht deshalb nicht, weil wir in einem bestimmten Bereich über nicht genügend Fachwissen verfügen. Nur ein einziges Beispiel: Die Chemiker unter uns wissen, dass viele Alltagsprodukte, die synthetische Kohlenwasserstoffe beinhalten, als krebserregend gelten. Aber wer ist sich von uns Nicht-Chemikern dessen schon bewusst?

Aber selbst nachdem wir ein konkretes Leid durch diesen Filter gejagt haben, werden wir auf viele Situationen stoßen, bei denen der Mensch ausnahmsweise unschuldig ist: Hätte Gott z.B. keine Welt erschaffen können, auf der Menschen nicht wegen Erdbeben, Tsunamis oder Tierangriffen verletzt oder gar getötet werden? Deutet das Auftreten von „naturverursachtem“ Leid nicht vielmehr darauf hin, dass Gott nicht existiert – und wenn doch, dass er ein kaltherziger Sadist ist?

Um Licht ins Dunkel zu bekommen, möchte ich eine steile These aufstellen – und zwar: Der Mensch braucht das Leid. Und mit diesem Gedanken stehe ich auch nicht alleine da. Selbst der renommierte Anthropologe (und Atheist) David le Breton vertritt in seinem Buch „Schmerz. Eine Kulturgeschichte“ den Standpunkt, dass ohne die Fähigkeit, Leid und Schmerz zu verspüren, die menschliche Existenz erschreckend verwundbar ist. Menschen in der Antike irrten eben nicht, wenn sie Leid als „bellenden Wachhund der Gesundheit“ bezeichneten. Eine ähnliche Funktion schreibt ihm auch der irische Schriftsteller C.S. Lewis in seinem berühmten Buch „Über den Schmerz“ zu:

„Kein Zweifel, der Schmerz als Megaphon Gottes ist ein furchtbares Instrument; er kann zu endgültiger reueloser Rebellion führen. Dennoch ist er für den todkranken Menschen die einzige Gelegenheit der Gesundung. … Wenn der Schmerz im ersten Zuge die Illusion zerstört, alles sei »in Ordnung«, so zerstört der zweite Zug die Illusion, unser Besitz gehöre uns selbst und sei alles, was wir brauchten. Jedermann hat schon bemerkt, wie schwer es ist, unsere Gedanken auf Gott zu richten, wenn es uns rundherum gut geht. »Wir haben alles, was wir brauchen«: ein schrecklicher Ausspruch, wenn »alles« Gott nicht einschließt. … Solange unser Leben angenehm ist, wollen wir es Ihm nicht ausliefern. Was also kann Gott, und zwar in unserem eigenen Interesse, anderes tun, als uns »unser eigenes Leben« weniger angenehm zu machen und uns wegzunehmen, was fälschlich als Quelle des Glücks ausgibt.“

Ich denke, dass Lewis Recht hat. Es ist und bleibt ein Trugschluss, dass unsere Gesundheit unser höchstes Gut sei. Warum? Weil sie zu 100% endlich ist und irgendwann – bei manchen früher, bei manchen später – langsam, aber sicher, herunterfährt. Das brachte schon Jesus auf den Punkt: „Was nützt es einem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, wenn er selbst dabei unheilbar Schaden nimmt?“ Hinter dieser kurzen Bemerkung verbirgt sich gerade für unser Thema viel: Im Kontext gelesen führt sie uns nämlich vor Augen, dass aus christlicher Sicht der Hauptzweck unseres Lebens nicht Glück oder Leidlosigkeit ist, sondern Gott zu kennen. Natürlich nicht in dem Sinne, dass wir Gottes Existenz irgendwie vermuten, sondern dass wir in einer Beziehung mit ihm leben.

Es stellt sich freilich die Frage, warum gerade dies der „Hauptzweck“ unseres Lebens sein soll. Um diese Frage beantworten zu können, musst du bitte für ein paar Minuten mit mir annehmen, dass es wirklich stimmt, was Christen über Gott sagen. Wenn dies der Fall ist, dann stimmt es, dass unser Leben nicht mit unserem Tod endet, sondern der Tanz dann erst richtig losgeht.

Dann stimmt es, dass wir es beim christlichen Glauben mit einem „Rettungsglauben“ zu tun haben, bei dem letztlich nur die gerettet sind, die zu Lebzeiten die Entscheidung getroffen haben, diese Vertrauensbeziehung mit Gott eingehen zu wollen. Das christliche Jenseits ist sozusagen das „gerechteste“ Jenseits, das wir uns vorstellen können: Gott gibt jedem das, was er will. Wenn ich für immer mit Gott leben will, wird das geschehen. Wenn jemand für immer „Gott-los“ sein will, dann wird das so geschehen.“ www.mitdenkend.de/warum-laesst-gott-leid-zu/

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